“Mama”, fragt der vierjährige Leo beim Schlafengehen, “wird mir das Christkind wirklich keine Geschenke zu Weihnachten bringen?” – “Warum sollte es das nicht tun?”, fragt seine Mutter Maria überrascht. – “Na ja, die Oma hat das gesagt, wie ich heute bei ihr war”, antwortet Leo. Maria spricht ihre Mutter Waltraud bei der nächsten Gelegenheit darauf an. “Weißt du, er wollte sich eine halbe Stunde lang die Jacke nicht anziehen”, erzählt Waltraud. “Ich war schon ganz verzweifelt, weil es schon bald dunkel wurde und wir noch nicht auf dem Spielplatz waren. Erst wie ich gesagt habe, dass er keine Geschenke bekommt, wenn er schlimm ist, hat er sich dann endlich anziehen lassen.”
Kinder, die nicht kooperieren wollen, können Erwachsene leicht an die Grenze der Verzweiflung treiben. Versprochene Belohnungen (“Wenn du brav bist, kaufe ich dir etwas im Supermarkt”) oder angedrohte Bestrafungen (“Wenn du schlimm bist, bekommst du nichts Süßes”) scheinen in solchen Situationen oft ein einfaches Mittel zu sein, um das trotzende Kind doch zum Einlenken zu bewegen. Dabei ist zu bedenken, dass dadurch die Aufmerksamkeit des Kindes von seinem Verhalten in der konkreten Situation auf die Belohnung bzw. die Strafe gelenkt wird. Das kann bald zur unerwünschten Konsequenz führen, dass die Eltern mit der Zeit immer größere Belohnungen oder immer härtere Strafen versprechen müssen, um das erwünschte Verhaltenzu erreichen. Es entsteht eine Negativspirale, in der das Kind immer mehr entweder aus einer fordernden Haltung heraus (bei Belohnungen) oder aus Angst (bei Bestrafungen) agiert.
Ein positiverer Weg, das Kind zur Zusammenarbeit zubewegen, ist das Aufzeigen der natürlichen Konsequenzen seines Verhaltens. Das erfordert allerdings etwas innere Flexibilität vonseiten der Erzieher – die Welt bricht eben auch nicht zusammen, wenn das Kind an einem Tag einmal nicht draußen spielt. Waltraud könnte etwa zu ihrem Enkel sagen: “Wenn du die Jacke nicht anziehst, können wir nicht auf den Spielplatz gehen, weil es bald dunkel wird.” Diese Konsequenz muss dann auch in aller Ruhe durchgezogen werden. So lernt das Kind, dass sein Verhalten immer bestimmte Ergebnisse liefert – es aber mit seinem Verhalten auch beeinflussen kann, was passiert. Zieht es sich das nächste Mal schneller an, hat es eben auch mehr Zeit, auf dem Spielplatz zu spielen. So erkennt das Kind, dass bestimmte, und durchaus auch ungeliebte, Handlungen Zwecken dienen, die für es erwünscht sind. Es wird lernen, dass es sich lohnt, auch Unannehmlichkeiten oder Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, um ein Ziel zu erreichen. Auf diese Weise wird das Kind mit der Zeit erfahren, dass es durch kooperatives Verhalten die Dinge zum Besseren beeinflussen kann – ganz ohne Belohnungen oder Drohungen.
Dr. Alexandra Schwarz ist Eltern- und Erziehungsberaterin,
Moderatorin der GFO und Mutter von sieben Kindern.