Sabine kommt nach zwei Tagen Wochenendseminar zurück und erwartet mit großer Vorfreude ein gemütliches Zuhause, um ihrem Mann Ferdinand von ihren Erlebnissen zu erzählen und den Abend mit den Kindern zu genießen. Als sie die Wohnung betritt, kommt ihr die zweijährige Sophie mit verschmiertem Gesicht aus dem Kinderzimmer entgegen und aus dem Wohnzimmer hört sie das bekannte Geräusch des Computerspiels des sechs-jährigen Maximilian. Ferdinand sitzt gemütlich auf dem Sofa und liest die Tageszeitung, ohne weiter Notiz von ihr zu nehmen. Nach einem Blick in die Küche ist es um die Contenance von Sabine endgültig geschehen – dort türmt sich das schmutzige Geschirr in der Abwasch, am Tisch steht die Marmelade vom Frühstück . Zu guter Letzt taucht Ferdinand auf dem Weg ins Badezimmer hinter ihr auf und meint : “Hallo mein Schatz! Bin ich froh, dass du wieder da bist – ich muss leider noch ein paar Sachen für’s Büro erledigen!”
Auch ohne weitere Einzelheiten zu erfahren, kann sich jeder vorstellen, wie diese Szene weiter verlaufen wird. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird weder Ferdinand viel von seinen Büroaufgaben erledigen können, noch Sabine große Lust auf Erzählungen verspüren. Aus einer an sich perfekten Situation, um das Zusammenleben in der Familie zu stärken, hat sich eine kleine Katastrophe entwickelt, an deren Ende Ferdinand oder Sabine vielleicht zu überlegen beginnen, ob diese Familie wirklich die Familie ist , die sie sich vorgestellt haben. Warum kommt es auch “in den besten Familien” zu solchen Situatio- nen? Wer muss hier noch mehr an sich arbeiten? Wie kann man diesen Schwierigkeiten vorbeugen? Im Zusammenleben und insbesondere in der Ehe geht es oft darum, einander besser kennen zu lernen, sich auf einander hinzubewegen und so eine für alle akzeptable Lösung zu finden. Solche Lösungen können nur im Gespräch erarbeitet werden – in einem Gespräch, das primär auf das Kommende ausgerichtet ist und nicht nur die Probleme der Vergangenheit im Blick hat. Zunächst gilt es, sich der eigenen Erwartungen bewusst zu werden und diese auch zu kommunizieren. Während sich Sabine auf die lang ersehnte Entspannu ng von ihrem Alltag mit den Kindern freut, er- wartet sich Ferdinand vielleicht ein nettes Wochene nde, an dem er mit den Kindern all das unterneh- men kann, wozu er sonst nicht kommt. Dass die Hausa rbeit nicht dazu zählt, ist für ihn selbstver- ständlich – nicht so für Sabine. Diese Erwartungen zu kommunizieren und sich mit den Vorstellungen des anderen auseinanderzusetzen, trägt viel zu eine m harmonischeren Alltag bei. Am Ende wird sich für jeden ein Teil der Wünsche erfüllen, gleichzeit ig wird jeder auch etwas zurückstecken müssen. Immer neue Wege finden zu wollen, die für beide pas sen, ist ein Erweis der gegenseitigen Liebe und Wertschätzung. Es geht aber auch um eine adäquate Aufteilung der A ufgaben im Familienleben. Sehr leicht schleicht sich eine nicht gewollte Einseitigkeit ein, in der der Vater für die “tollen Dinge” des Familienlebens zuständig scheint – Ausflüge, gemeinsame Aktivitäte n, Spaß, etc. – während die Mutter eher für den Alltag und dessen Mühen steht. Gerade als Vater mus s man sich bemühen, nicht zu stark in diese © GFO Erziehungsartikel 13 Seite: 2 von 2 Richtung zu tendieren und sich gerade in Zeiten der vollen Zuständigkeit für die Kinder auch wirklich umfassend verantwortlich zu fühlen. Das heißt insbe sondere die gewohnten Regeln einzuhalten und auch in den mühseligen Dingen – wie Ordnung im Haus halt und Tagesablauf – ein Vorbild zu sein. Damit hätte Ferdinand seiner Frau nicht nur ein fre ies Wochenende ermöglicht, sondern ihr auch Wertschätzung für ihren stillen Dienst in der Famil ie gezeigt. Dr. Markus Schwarz, MBA, ist Moderator der GFO und Vater von sieben Kindern.