Ralf und Sigrid gönnen sich ein Gläschen Wein auf ihrer Terrasse. Sigrid will nach den schönen Erlebnissen der letzten beiden Urlaubswochen ihre Gedanken mit Ralf teilen und ihm auch von ihren vielen neuen Plänen mit den beiden Kindern erzählen. Ralf widerstrebt das geplante Programm mächtig: “Sollen die Kinder von klein auf schon einen Terminkalender wie ein Manager haben und dauernd klein kariert erzogen werden?” – “Nein, aber wir müssen die Zeit nutzen, um ihre Anlagen möglichst gut zu fördern!”, entgegnet Sigrid.
Jeder kennt das Gefühl, nach einem erholsamen Urlaub wieder so richtig zupacken zu wollen. Auch in der Kindererziehung gibt es diese Momente, wo man alles auf den Kopf stellen möchte. Gerade der Sommerurlaub kann so ein guter Moment sein, sich eine gewisse Distanz zu verordnen und die Mühlen des Alltags mit mehr Gelassenheit und Abstand zu betrachten. Kinder sind sehr flexibel und nehmen Änderungen im Familienalltag meist leicht an, wenn die Eltern selbst von der Sinnhaftigkeit der neuen Idee oder Regel überzeugt sind und diese daher auch dementsprechend den Kindern kommunizieren.
Die Rückkehr aus dem Urlaub oder der Neubeginn im Kindergarten können gut als Schnittpunkt genützt werden, um zum Beispiel ab jetzt wirklich die ganze Nacht im eigenen Bett zu schlafen, die Schuhe immer selbst anzuziehen, eine kleine Aufgabe im Haushalt zu übernehmen oder sich endgültig vom Fläschchen zu verabschieden. Dabei müssen sich die Eltern vorher klar werden: Was wollen wir wirklich verändern? Welcher Entwicklungsschritt ist bei unserem Kind jetzt dran? Welche Umstellung im Alltag würde unserem Familienleben helfen? Was haben wir vielleicht bis jetzt nicht so beachtet oder schleifen lassen? Auch wenn das Kind in den ersten Tagen testen wird, ob es möglich ist, in das alte Muster zurück zu fallen, wird es sich bald an die neue Situation gewöhnen, wenn die Eltern überzeugt und konsequent bleiben. Bei der Auswahl und Planung von Aktivitäten der Kinder soll vor allem ein ausgewogenes Angebot an verschiedenen Tätigkeiten berücksichtigt werden. Dabei ist es auch wichtig, dass genügend freie, nicht verplante Zeit übrig bleibt und das Kind nicht von einer Aktivität zur nächsten gehetzt wird. Kinder brauchen auch den Freiraum, um ihre Erlebnisse zu verarbeiten und wieder zur Ruhe kommen, sei es beim Dreiradfahren, beim Rollenspiel zuhause oder beim Durchblättern ihres Lieblingsbuches.
Außerdem sollen nicht nur die körperlichen Fähigkeiten der Kinder gefördert, sondern vor allem deren Persönlichkeitsentwicklung ins Auge genommen werden . Was kann unserem Kind Mut machen? Mit wem sollen die Aktivitäten gemeinsam unternommen we rden? Welche Freundschaften können sich daraus für unsere Kinder ergeben? Wie kann es am besten Ausdauer üben und dabei trotzdem Spaß haben? Mit dem Abstand vom Alltag und dem Elan der sommerlichen Erholung lässt sich vieles neu ins Rollen bringen.
Dr. Alexandra Schwarz ist Eltern- und Erziehungsberaterin,
Moderatorin der GFO und Mutter von sieben Kindern.