Verschiedene Temperamente I – das phlegmatische Kind

Ferdinand und Gerda unterhalten sich über ihre Kinder. „Man kann kaum glauben, dass die beiden Geschwister sind. Max ist unglaublich ruhig, fast immer freundlich und eher zurückhaltend. Emilie ist ein Energiebündel, immer in Aktion, sehr mutig und impulsiv“, stellt Ferdinand fest. – „Ja, aber sie kommen eigentlich gut miteinander aus!“, meint Gerda. „Nur letztens habe ich Max fast nicht wiedererkannt: er wollte plötzlich partout nicht, dass sein Freund kommt. Zuerst hat er wütend geschrien: Neiiin, Rudi darf nicht kommen. Dann hat er sich heulend unter sein Bett verkrochen „, erzählt Gerda.

Immer wieder lernen Eltern neue Facetten der Persönlichkeit ihrer Kinder kennen. Ausbrüche wie die des kleinen Max können eine tolle Chance für die Eltern sein, gerade bei einem so ruhigen und angepassten Kind mehr darüber zu erfahren, was in ihm vorgeht. Obwohl natürlich jeder Mensch einzigartig ist, gibt es prinzipielle Reaktionsweisen auf Ereignisse, die schon seit der Antike zu einer Einteilung in vier Temperamente geführt haben. Die Kenntnis darüber kann Eltern helfen, das Verhalten eines Kindes leichter einzuordnen, aber auch sich selbst und den Ehepartner besser zu verstehen. Unter Temperament kann man die ganz besondere Eigenart eines Menschen verstehen, auf Ereignisse zu reagieren – sozusagen als „Standardeinstellung“. Diese Standardeinstellung ist von der Natur quasi vorgegeben, kann jedoch durch Erziehung, Erfahrung und durch freie Willensentscheidungen sehr wohl modifiziert werden. Es muss aber vorausschickend betont werden, dass solche Einteilungen nur Vereinfachungen sind, die helfen sollen, ein Kind leichter zu verstehen, um besser auf seine Bedürfnisse eingehen zu können.

Hier soll im Folgenden auf das sogenannte „phlegmatische Temperament“ eingegangen werden, welches dem kleinen Max zugeordnet werden könnte. Eher phlegmatisch veranlagte Kinder sind tendenziell friedfertig, ruhig, kooperativ, verlässlich und gehorsam. Sie kämpfen nicht gerne mit anderen Kindern und geben lieber auf, um den Frieden zu wahren. Das erfordert große Achtsamkeit der Eltern, damit die Gutmütigkeit des Kindes nicht ständig ausgenützt wird und seine eigenen Bedürfnisse auch Raum bekommen. Ein phlegmatisch veranlagtes Kind reagiert langsam auf Ereignisse, die Reaktion ist nicht intensiv und nicht langandauernd. Dadurch wird die Reaktion von der Umgebung leicht übersehen. So bleibt das Kind auch unter starkem Druck sehr ruhig, was bei Eltern leicht zu einer Fehleinschätzung führen kann. Kinder wie Max brauchen Unterstützung der Elt ern, um zu lernen, ihre Wünsche oder Ängste auch auszudrücken. Ansonsten kann es vorkommen, das s es zu einem plötzlichen – für die Umgebung völlig unerwarteten – Ausbruch kommt. Hier ist es wichtig, dass sich die Eltern die Zeit nehmen, herauszufinden, was Max wirklich bewegt.

Außerdem brauchen eher phlegmatisch veranlagte Kind er Unterstützung, die eigenen Talente zu entdecken und einzusetzen – sie glauben meist nicht an sich selbst, haben wenig Selbstvertrauen und sind zufrieden mit dem Ist-Zustand. Überaus wichtig ist daher viel liebevolles Lob von ihrer Umgebung – besonders von ihren Eltern.

Dr. Alexandra Schwarz ist Eltern- und Erziehungsberaterin,
Moderatorin der GFO und Mutter von sieben Kindern.